[Weltweit umadum]

Er lebt in dem Stadtteil von L.A., in dem Stars wie Scarlett Johansson, Katy Perry, und Angelina Jolie wohnen: In Los Feliz genießt Schauspieler Bernhard Forcher morgendliche 25 Grad, in Osttirol blinzelt die Abendsonne noch auf die schneebedeckten Gipfel. Bernhard hat es nicht weit zu den Hollywood Hills. Von seinem Balkon fällt der Blick auf den Pool des Wohnkomplexes, in der Ferne wölbt sich die Kuppel des Griffith-Observatioriums in den blauen Himmel. Greifbar nah scheinen die Sterne in dem Planetarium. Für die Sterne im echten Leben wird er sich gleich an den Computer setzen und an seinem Drehbuch weiterschreiben.  

2006 kehrte der Lienzer Bernhard Forcher nach seiner Musical-Ausbildung im heutigen „Performing Center Austria“ Europa den Rücken. Nach Rollen als Sky in Mamma Mia und Radames in Aida landete er mit einem „O-1-Visum“ auf dem JFK-Flughafen in New York. O-1“ steht für „Extraordinary Ability“. Ein Visum, das nur bekommt, wer in seiner Heimat sehr erfolgreich ist, ob als Künstler, Wissenschaftler oder Sportler.  


Von New York in die Stadt der Engel 

New York beeindruckte das Visum nicht. „Bis zu diesem Zeitpunkt war es so, dass ich immer hart gearbeitet habe, und dann hat das geklappt“, blickt er auf diese Zeit zurück. „Ich bin sonst mit dem Kopf durch die Wand, aber nicht in den USA.“ 2008 kam dann die Wirtschaftskrise und mit ihr die Autorenstreiks und der Gewerkschaftsstreik für die Filmschauspieler, das Wetter war auch mies. Ein Anruf einer Freundin reichte schließlich – Pfiad di Broadway, Forcher zog nach Los Angeles.  

Starbucks und Werbung 

„Alles war schwierig. Jeder sagt es einem, aber irgendwie habe ich doch immer gedacht, das schaffe ich schon. Wenn ich gewusst hätte, wie schwierig es werden würde, hätte ich das, glaube ich, nie angefangen.“ Bernhard Forcher spricht bedächtig, manchmal fehlt ihm ein deutsches Wort. Er erzählt von seiner Zeit bei Starbucks, um die Miete zu bezahlen – „sehr unterbezahlt, sehr stressig“. 2011 kündigte er. Und irgendwie fügte es sich, dass er seinen ehemaligen Kollegen schon bald von riesigen Plakatwänden zulächelte. Denn – nach einer Werbung für Vitamine wurde Forcher das Gesicht für die Rasur-Pflegeprodukte von „The Art von Shaving“, einem Gillette-Tochterunternehmen.  

Prädestiniert für Nazi-Rollen 

Aber: „Ich wollte Schauspieler sein und Geschichten erzählen und tolle Rollen spielen.“ Die Werbung bezahlte das Leben, die Erfüllung war es nicht. 2012 folgte der erste Fernsehjob bei der Serie „Supernatural“, die das Land 15 Jahre lang in 15 Staffeln unterhalten hat. „Das war mein Sprung in die amerikanische Fernsehwelt“, sagt Bernhard. Seine Rolle: Man ahnt es – der Nazi-Bösewicht Eckhart. Er lacht: „Das ist wohl so, wenn man aus Deutschland oder Österreich kommt.“ Der Akzent – kein Problem. Der Rest – aalglatt, fies, richtig gut. 

Seine aufregendsten Dreharbeiten: Die 80-Millionen-Dollar-Produktion „Fury – Herz aus Stahl“.


Er arbeitete mit Oscar-Preisträgern, unter anderem mit J.K. Simmons in der Serie „Counterpart“. Erfüllend sei das aber alles nicht gewesen, erklärt Bernhard Forcher und schwärmt von einer kleineren Produktion wie dem Kurzfilm zu dem Videospiel „Half Life“, das die Fans so liebten.  

Die kleinen Dinge und das Leben im Moment 

Das Handtuch zu werfen oder wieder zurückzukommen, vielleicht an eine heimische Bühne oder ans Filmset, das „hat mich nie interessiert, nein. „Ich habe das Gefühl, das mein Leben jetzt hier ist.“ Auch wenn er die Politik bemängelt, die Korruption beklagt und noch nicht über den roten Teppich gelaufen ist. Was ihn antreibt? „Früher hätte ich sofort gesagt das Schauspiel“, kommt es spontan. „Jetzt sind es mehr die kleinen Dinge – dass ich gesund bin, wenn ich Sport machen kann, wenn ich mich gebadet fühle in der warmen Luft“, zählt der 43-Jährige auf. Er versuche heute eher, für den Moment zu leben. Was ihn antreibt, morgens aufstehen lässt, ist die Leidenschaft, die er entweder beruflich spürt, „wenn es um etwas Kreatives geht, aber auch fürs Tennisspiel, und einen Beitrag im Leben anderer zu leisten, auch wenn’s was Kleines ist“. 


Leidenschaft fürs Geschichtenerzählen 

Das kreative Berufliche, das ihn derzeit antreibt, ist das Drehbuch für eine eigene Serie. Gedanklich beschäftigt er sich schon viele Jahre damit. Er habe das Gefühl, das sich alles wegentwickele vom Film, hin zu interessanten Serien. „Es ist mein großes Ziel, eine Geschichte als Produzent und Autor bis zum Ende zu begleiten. Als Architekt sicher zu gehen, dass die Geschichte so erzählt wird, wie sie erzählt werden soll“, verrät er. Ihm sei in den vergangenen Jahren bewusst geworden, dass man als Schauspieler nur ein kleiner Teil dieser ganzen Sache sei, stets von anderen abhängig und „null Kontrolle“ habe, wie viel von der eigenen Performance im Film tatsächlich bleibe. Es geht ihm mehr ums Geschichtenerzählen im Kern, darin liegt seine Leidenschaft. Deshalb macht ihm auch das Schreiben Spaß und das Schauspiel ist nur ein kleiner Teil dessen. Das wichtige sei die Geschichte selbst.

Inspiriert vom „Daham“ 

Und so schreibt er an dieser Serie, einer Geschichte aus dem Norwegen des 12., 13. Jahrhunderts, basierend auf einer wahren Geschichte des Birkebeiner Rennens. Es geht um Leben und Tod, um Mut und Ehre, „eine wilde Zeit, bei der auch das Skifahren dabei ist“. Und das führt ihn gedanklich zurück in die Heimat, nach Osttirol, die es noch ist, aber „mit gedehntem Band“. Skigefahren ist Bernhard Forcher seit seinem dritten Lebensjahr. Und er tut es noch, wenn er an Weihnachten mit seiner Mutter und den Schwestern Verena und Julia verbringt, „daham“, wie er sagt.  

„Die Landschaft ist unglaublich.“ 

Das Daham, das sich mehr auf die Familie bezieht, weniger auf die Region. „Die sehe ich heut‘ fast a bissl durch die Augen eines Fremden“ – der Osttiroler Dialekt ist unverkennbar. „Ich weiß die Region mehr zu schätzen, auch wenn sie weniger vertraut ist, mehr ehrgebietend“, sagt er. „Diese Landschaft ist unglaublich, und wenn man als Kind da aufwächst, dann ist es einfach ein Teil der Umgebung.“ Heute sehe er das mehr mit Abstand. In der Stadt kenne er ja nicht mehr viele Leute. Er erinnert sich ans Postcafé (heute Genusswerk), „wo ma früher imma gschwänzt ham“, lacht er hollywoodreif entwaffnend. Und an den Tristacher See, „wo’s so schön ist, egal ob im Sommer oder im Winter“.

Leberkas-Semmel aus dem „Alpine Village“ 

Natürlich gibt es Dinge, die er nicht vermisst, die lange kalte Zeit beispielsweise. Das Essen hin und wieder schon. Dann  holt er sich in L.A. eine Leberkas-Semmel im „Alpine Village“. Und die Mentalität, mei, „ich versuche, das Unverfälschte, Direkte beizubehalten“. Während ein Amerikaner meist ein „Hey, that’s great – egal, wie i tu loslässt, heißt’s daham: Na echt? Na, macht des Sinn?“ Er lacht breit. Und seine Wurzeln, die fließen in sein Drehbuch mit ein. Und wenn es dann ausgestrahlt wird, vielleicht sogar bei Netflix, „des wär des, was passiert, in a perfect world“.  


©Bernhard Forcher


Autorin:
Monika Hoeksema

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